17. September 2019
Ein Krankenhausaufenthalt ist für jeden eine Ausnahmesituation, für Menschen mit kognitiven Einschränkungen bedeutet er jedoch noch mehr Stress. Sie haben ein erhöhtes Risiko, während des Aufenthalts zu stürzen und sich zu verletzen. Auch die fehlende Tagesstruktur lässt sie oftmals ängstlich und unruhig werden.
Das AGAPLESION ELISABETHENSTIFT in Darmstadt hat in den letzten Jahren seine Entwicklung zum demenzsensiblen Krankenhaus vorangetrieben. Neben der Schulung von Mitarbeitenden zu Demenzexperten und der Einstellung einer Demenzkoordinatorin wurden auch bauliche Neuerungen umgesetzt. Vor zwei Jahren wurde eine Station speziell für somatisch erkrankte Patienten mit einer Demenz als Begleiterkrankung eröffnet.
Bereits an der Stationstür findet sich das erste demenzsensible Element: Mit einer Klebefolie wird hier täuschend echt ein Bücherregal simuliert, sodass man diesen Bereich nicht mehr als Ausgang wahrnimmt. "Menschen mit Demenz haben einen hohen Bewegungsdrang. Damit verhindern wir, dass Patienten hinauslaufen und sich im Haus verirren", erklärt Fabian Schneider. Der Leitende Oberarzt an der Klinik für Geriatrische Medizin am AGAPLESION ELISABETHENSTIFT DARMSTADT hat am Konzept der Station mitgearbeitet.
Auch eine weitere Besonderheit des Krankheitsbildes hat die Station baulich beeinflusst: "Die Patienten fühlen sich in der Gemeinschaft mit anderen Menschen wohler und suchen die Nähe des Personals", erklärt Schneider. Deshalb liegt der Aufenthaltsraum direkt neben dem Pflegestützpunkt, ist aber von diesem durch eine große Glasscheibe getrennt. So können die Patienten das Personal sehen, gleichzeitig können die Pflegekräfte aber auch Aufgaben wie der Medikamentenzuteilung konzentriert nachgehen.
Direkt vor dem Stützpunkt wurde eine riesige, sonnenähnliche Leuchte in die Decke eingebaut. Sie leuchtet in hoher Lux-Zahl tagsüber und bei jedem Wetter, in den Abendstunden wird die Intensität reduziert. Die Menschen fühlen sich durch das Licht angezogen und bewegen sich zum Stützpunkt, gleichzeitig wird ihre Tagesaktivität durch das Licht gefördert, wie Fabian Schneider erzählt: "Dadurch machen die Patienten tagsüber seltener ein Nickerchen und schlafen nachts besser durch. Ein gesunder Tag-Nacht-Rhythmus wird so unterstützt."
Die Station ist hell und mit kräftigen Farben gestaltet, gleichzeitig wirkt sie aber auch modern und nüchtern. "Das war eine bewusste Entscheidung", betont Fabian Schneider: "Im Gegensatz zu anderen Einrichtungen haben wir hier nicht ein gemütliches Wohnzimmer-Konzept umgesetzt, denn die Voraussetzungen sind andere als in einer Pflegeeinrichtung. Die Patienten hier auf der Akutstation sind kränker und bleiben im Schnitt nur 7 bis 21 Tage. Daher geht es vielmehr darum, eine Krankenstation so demenzgerecht wie möglich zu gestalten."
Außerdem existierten heute eine Vielzahl von demenzsensiblen Konzepten nebeneinander, sagt Fabian Schneider: "Wir erheben auf keinen Fall den Anspruch, zu sagen: 'Das hier ist der Weisheit letzter Schluss.' Wir haben verschiedene Erfahrungen gesammelt und Elemente kombiniert. Das ist unser Vorschlag, wie man eine Station demenzsensibel gestalten kann.
"Zum Konzept in Darmstadt gehören auch kleine Orientierungshilfen. So wählt jeder Patient bei der Aufnahme ein Bildmotiv aus: Ein Hündchen findet sich dann an der Tür, am Schrank und am Bett wieder. Das süße Tier zu erkennen, erfordert keine bewusste kognitive Leistung und ermöglicht es, sich über einen emotionalen Zugang besser orientieren zu können. Im Zimmer hilft ein großer, farbenfroher Wandkalender, mit den Patienten jeden Tag das aktuelle Datum zu erarbeiten. "Auch solche Kleinigkeiten tragen dazu bei, dass sich die Patienten orientieren können und sicherer fühlen", sagt Fabian Schneider.
Im Patientenzimmer liegt eine Sensormatte vor dem Niederflurbett, aus dem man leichter aufstehen kann als auch einem gewöhnlichen Krankenhausbett. Ist die Matte aktiviert, sendet sie über einen Kontakt beim Verlassen des Betts ein Signal an den Stützpunkt. In der Nacht ist der Weg zum Bad sanft beleuchtet, beim Betreten der Nasszelle geht das Licht automatisch an, damit den Patienten die Suche nach dem Lichtschalter erspart bleibt.
Viele Demenzkranke haben auch eine altersbedingte Sehschwäche und erkennen daher kontrastreich abgesetzte Gegenstände besser als das Einerlei aus weißer Toiletten-, Waschbecken und Wandkeramik. Daher sind die Toilettenbrille und die Haltegriffe am Waschbecken auch signalrot hervorgehoben, sodass sich die Patienten schnell orientieren können und festhalten können. Fabian Schneider gibt zu: "Das widerspricht zwar den ästhetischen Vorstellungen einiger Menschen, aber durch diese Hilfsmittel können nächtliche Stürze reduziert und die Patienten schnell wieder in ihre gewohnte Umgebung entlassen werden."
Dr. med. Fabian Schneider ist Leitender Oberarzt der Klinik für Geriatrische Medizin am AGAPLESION ELISABETHENSTIFT DARMSTADT.
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