21. August 2019
Peter Weissner ist der Einrichtungsleiter des AGAPLESION HAUS SAMARIA HOSPIZ und empfängt Besucher mit ruhiger Stimme. Er erzählt, dass sein jetziger Arbeitsplatz ursprünglich ein Schwesternwohnheim des unmittelbar angrenzenden Krankenhauses war. Als man dort das Gebäude nicht mehr brauchte, stellte AGAPLESION es dem Gießener Hospizverein zu Verfügung und wurde auch gleich Hauptgesellschafter des neuen Hospizes. Das viergeschossige Haus mit 730 Quadratmetern Wohnfläche wurde in nur sieben Monaten kernsaniert und 2014 in Betrieb genommen. Maximal zehn Gäste gleichzeitig verbringen hier nun ihren Lebensabend. Als Leiter muss Peter Weissner dafür sorgen, dass die wenigen Plätze in seiner Einrichtung möglichst gerecht vergeben werden, kein einfaches Unterfangen. Die durchschnittliche Verweildauer seiner Gäste beträgt zwischen 12 und 22 Tage. Manchmal habe er an einem Tag zehn bis 15 Anfragen und zwei Tage später sei ein Zimmer frei, aber kein Bedarf mehr da. Weissner bricht seinen Anspruch aber auf einen Satz herunter: „Wenn bei uns ein Zimmer frei wird, vergeben wir es an denjenigen, bei dem die Not am größten ist.“
Das Haus Samaria besteht aus zwei Ebenen mit Gästezimmern für jeweils fünf Personen, auf jeder Ebene ist eine qualifizierte Pflegekraft rund um die Uhr für diese da. Zum Team gehören auch eine Verwaltungsfachkraft sowie Therapeuten: „Die Hauptsäule unseres Personals bilden aber qualifizierte Pflegepersonen, allesamt mit einer langjährigen Berufspraxis im klinischen Bereich. 95 Prozent haben auch eine Palliativ-Weiterbildung“, sagt Peter Weissner. In der Weiterbildung sammeln sie Erfahrungen in der Schmerztherapie und lernen mehr über Symptomkontrolle, also wie man mit Schmerzen, Durst, Luftnot oder Übelkeit umgehen kann. „Da unsere Gäste nur palliativ versorgt werden, arbeiten bei uns auch keine Mediziner. Wir setzen hier, wie in anderen Pflegeeinrichtungen auch, das Hausarztmodell um.“ Das heißt, dass die Gäste von ihren Hausärzten weiterbetreut werden können. Da die meisten davon jedoch eine Tag und Nacht-Betreuung nicht anbieten können, kooperiert das Hospiz mit den Palliativmedizinern des Universitätsklinikums Gießen. Sie versorgen die meisten Menschen in der Einrichtung und sind rund um die Uhr, sieben Tage die Woche erreichbar.
Aber wie verbringt man die letzten Tage oder Monate seines Lebens? „Das ist ganz individuell und darf jeder Gast selbst entscheiden. Wir wollen die bestmögliche Zeit für unsere Gäste erreichen und sie so annehmen, wie sie sind“, sagt Einrichtungsleiter Weissner. Das bezieht er nicht nur auf den persönlichen Umgang, sondern auch darauf, dass es im Hospiz keine feste Tagesstruktur gibt: „Manche Gäste sind Nachteulen, die die ganze Nacht wach bleiben und dementsprechend erst um 14 Uhr frühstücken.“ Um diese Flexibilität zu ermöglichen, sind vier Hauswirtschaftskräfte von 8 bis 14 Uhr und von 15 bis 19 Uhr in der Einrichtung. Sie kaufen ein und kochen frisch: „So wie man es hoffentlich von zu Hause kennt. Es geht dabei auch um die sinnlichen Eindrücke, dass die Gäste das Essen riechen können“, erklärt Peter Weissner. Die Mahlzeiten werden auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Gäste im Haus ausgerichtet. Kleine Gesten und Nettigkeiten, die trotzdem berühren, wie Weissner feststellt: „Viele Menschen, die zu uns kommen, wundern sich, dass alle so nett sind und nach ihren Wünschen fragen. Viele kennen das gar nicht mehr, mit Würde behandelt zu werden.“
Zur Entspannung und Schmerzlinderung während des Aufenthaltes können die Gäste zwischen Musik-, Klangschalen-, Ergo- und Physiotherapie wählen. Der heimliche Star des Hauses ist Therapie-Hund Ole, er kam 2012 als spanischer Straßenhund über den Tierschutz nach Deutschland und bringt bei seinen Besuchen Abwechslung in die Räume. Die seelsorgerische Begleitung ist ein Grundpfeiler des Hauses. Sinnsuche und Fragen nach dem Warum einer Krankheit sind für die Gäste sehr wichtig und beschäftigen viele Menschen gerade am Ende ihres Lebens. Für diese intensiven Gespräche kommt Pfarrerin Gabriele Dietzel neben ihrer Tätigkeit als Klinikseelsorgerin im benachbarten AGAPLESION EVANGELISCHEN KRANKENHAUS MITTELHESSEN mindestens einmal in der Woche vorbei. Eine weitere Stütze sind auch die über 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizes, die manchmal einfach nur zuhören oder kleine Wünsche erfüllen.
Wer Besuch haben möchte, für dessen Angehörige steht im zweiten Stock des Hauses ein Zimmer mit Bad zur Verfügung. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, direkt bei den Hospiz-Gästen zu übernachten. Feste Besuchszeiten gibt es nicht, ein Gast bestimmt, ob und wann er Besuch haben möchte. Auch eine kleine Familienfeier im Wohn- und Essbereich ist möglich. Ein großes Beschäftigungsangebot im Hospiz ist natürlich ein Glücksfall für die Bewohner, aber man muss auch ganz genau schauen, was man als Individuum wirklich braucht, erklärt Peter Weissner: „Viele Menschen denken, Sterbebegleitung bedeutet, dass man eine Person nicht mehr aus dem Auge lassen darf. Das ist aber ganz individuell, es gibt Menschen, die möchten auch einfach Mal alleine sein.“
Peter Weissner ist der Einrichtungsleiter des AGAPLESION HAUS SAMARIA HOSPIZ. AGAPLESION betreibt neben dem Hospiz in Gießen auch ähnliche Einrichtungen in Bad Pyrmont, Darmstadt, und Frankfurt am Main.
Laut Gesetzgeber müssen mindestens fünf Prozent der jährlichen Betriebskosten eines Hospizes über Spenden finanziert werden. Daher ist auch das AGAPLESION HAUS SAMARIA HOSPIZ auf Spenden angewiesen. Mehr dazu und Informationen, wie Sie das Hospiz ehrenamtlich unterstützen können, finden Sie hier >