Über die Risiken und Nebenwirkungen einer Pandemie für die psychische Gesundheit

18. Mai 2021

Die Pandemie führt zu psychischem Stress 

Das Fachkrankenhaus für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie Bethanien Hochweitzschen leistet im Landkreis Mittelsachen die stationäre und teilstationäre psychiatrische Vollversorgung für ein Einzugsgebiet mit ca. 230.000 Einwohnern. Das Team hat die psychischen Auswirkungen von Corona in den vergangenen Monaten hautnah erlebt und intensiv mit Therapieangeboten begleitet. „Rund ein Drittel der Menschen leidet momentan unter psychischem Stress“, erklärt Prof. Dr. Pedrosa Gil.

Ängste haben einen enormen Input auf unsere seelische Verfassung. Bestehen sie über einen längeren Zeitraum, so können sie chronische Stressreaktionen auslösen, die sich wiederum negativ auf Körper und Psyche auswirken.

So zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Zahl von Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und posttraumatischen Belastungsstörungen derzeit vergleichsweise hoch ist. Prof. Dr. Pedrosa Gil rechnet in den kommenden Wochen und Monaten mit einer Zunahme solcher Fälle im klinischen Alltag. Um sie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, plädiert der Chefarzt für einen engen Austausch innerhalb des medizinischen Systems, beispielsweise zwischen Hausarztpraxen, Beratungsstellen und Kliniken. 

Hohes Risiko durch Isolation und Gewalterfahrung 

Die notwendigen Einschränkungen während der Pandemie können zu einer sozialen Isolation führen. Aus der Resilienzforschung ist bekannt, dass fehlende körperliche Nähe und Gefühle der Einsamkeit als Hochrisikofaktoren für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen anzusehen sind. Untersuchungen belegen zudem eine Zunahme von körperlicher und häuslicher Gewalt in den vergangenen zwölf Monaten – ebenfalls eine Gefahrenquelle für spätere psychische Erkrankungen. „Kinder und junge Erwachsene leiden ohnehin am meisten unter den geltenden Einschränkungen im sozialen Zusammenleben. Sie erleben tiefe Frustration, sehen Ausbildungen und Perspektiven in Gefahr“, sagt Carsten Bölke, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Medizinischen Versorgungszentrum Döbeln.

Junge Menschen brauchen daher unsere besondere Unterstützung. 

Die Pandemie macht suchtanfällig 

Dr. Ulrike Ernst hat direkte Auswirkungen der Corona-Krise auf das Suchtverhalten festgestellt. So kommen nun mehr Menschen mit Alkoholabhängigkeit in eine stationäre Behandlung, weil ambulante Einrichtungen derzeit geschlossen sind. Dazu kommen Patienten, die ihren Alkoholkonsum im Laufe der Pandemie unkontrolliert gesteigert haben und nun an einer Abhängigkeitserkrankung leiden.

"Die nun schon seit mehr als einem Jahr bestehende Krise geht häufig mit existentiell bedrohlichen Ängsten gesundheitlicher und wirtschaftlicher Natur einher“, erklärt die Chefärztin der Klinik für Suchtmedizin im Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen.

Unser Gedächtnis ist so programmiert, dass angenehme Erfahrungen lange gespeichert werden und etwa ein leichter Alkoholrausch mit Entspannung assoziiert wird. Die Gefahr eines häufigeren Suchtmittelkonsums zur Bewältigung der unangenehmen Gefühle ist daher derzeit sehr hoch.

Um nicht in den nächsten Jahren deutlich mehr Patienten mit Suchterkrankungen behandeln zu müssen, sieht es Dr. Ulrike Ernst als vorrangige Aufgabe, frühzeitig gegenzusteuern. Menschen, die sich als gefährdet empfinden, empfiehlt sie, den eigenen Alkoholkonsum kritisch zu hinterfragen und als ersten Schritt konsequent mehrere alkoholfreie Tage pro Woche einzuhalten. 

Krafttraining für die Psyche 

Generell raten die Experten des Fachkrankenhauses Bethanien Hochweitzschen und des MZV Döbeln dazu, insgesamt achtsam mit sich umzugehen und auch während der Krise auf einen strukturierten Tagesablauf zu achten. Die seelische Gesundheit durch wohltuende Aktivitäten zu stärken, ist auch im Corona-Alltag möglich, ob beim Spaziergang, Yoga oder virtuellen Treffen mit anderen. Wer das Gefühl hat, sich nicht selbst helfen zu können, sollte sich jedoch umgehend kompetente Unterstützung holen. 


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Lesetipp

Weitere Informationen zum Thema "Corona und Psyche" sowie die ausführlichen Interviews mit Prof. Dr. Pedrosa-Gil, Dr. Ulrike Ernst und Carsten Bölke finden Sie hier >