06. Mai 2021
PVP-Iod schon in geringer Konzentration, ätherische Öle, mit oder ohne Alkohol, und Phenoxyethanol/Octenidin haben sich wirksam als Schleimhautantiseptika zur Abtötung von SARS-CoV-2-Viren erwiesen. Bei der Anwendung sind jeweils die Herstellerangaben zu beachten. Klinische Untersuchungen zeigen, dass derartige Antiseptika in kurzer Zeit die SARS-CoV-2-Viruslast im Speichel vorrübergehend effizient reduzieren.
In zahnärztlichen Leitlinien werden daher Mundspülungen bei Zahnbehandlungen zum Personalschutz empfohlen. Und auch sonst kann man sich den Effekt sicher da und dort zu Nutze machen, um die Verbreitung der Viren etwas einzudämmen.
Aber die virusabtötende Wirkung hat nur einen sehr kurzzeitigen Effekt im Mund- und Rachenraum.
Soweit mir Untersuchungen bekannt sind, sind nach 30 Minuten die Effekte kaum noch nachweisbar. Und was ist mit den Viren der Schleimhäute der Nase mit den geräumigen Nasennebenhöhlen, den Stimmbändern, der Luftröhre, den Lungen? Derer wird man kaum durch Mundspülungen und Gurgeln Herr werden können.
Einem schweren Krankheitsverlauf vorbeugen mit Mundhygiene? Ja, die Aussagen gibt es. Aber Studien? Studien mit Probanden, die nach einem Studienprotokoll behandelt werden und dann bezüglich Therapiewirksamkeit und Verträglichkeit überwacht werden, sucht man vergeblich.
Wie ist der Stand der Wissenschaft bezüglich der Vorhersage von Krankheitsverläufen? Abgesehen von einer sehr starken Koppelung an das Lebensalter und Einschränkungen der Immunkompetenz, weniger streng an chronische Erkrankungen, kann man gar nicht sagen, warum der eine einen schweren Verlauf hat, der andere nicht.
Ein Artikel aus einem Magazin für zahnheilkundliche Forschung beinhaltet nun eine Hypothese zu einer der wichtigsten Schlüsselfragen der SARS-CoV-2-Pandemie: warum erleiden einige Menschen einen schweren Krankheitsverlauf mit COVID-19-Lungenerkrankung, andere nicht: Die Viren überlebten in der Plaque und gelangten über entzündetes Zahnfleisch in die Blutbahn und von dort aus in das Lungengewebe. Das verschlechtere den Krankheitsverlauf. Der Durchbruch wird nun in einer Verbesserung der Mundhygiene gesehen. Mundspülungen sollen die Reservoirs von SARS-CoV-2-Viren in der Mundhöhle und auch in Plaque beseitigen. Die Lösung einer der wichtigsten Fragen in der SARS-CoV-2-Forschung wird in Aussicht gestellt. Sofern sich die Hypothese bewahrheitet, werde sich ein fundamentaler Wandel im Pandemiemanagement einstellen.
Aber der Grundsatz ist immer noch, dass sich medizinisches Handeln auf Erfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungen begründen sollte, nicht auf einzelne experimentelle Untersuchungen und Hypothesen, seien sie auch noch so verwegen, und was versprochen wird, noch so erstrebenswert.
Gurgeln ist ein denkbarer Ansatz, aber die Wirkung noch nicht in Studien belegt – gesteigerte Mundhygiene kann aber keinesfalls schaden.
Vielleicht müssen wir, um uns und gerade alle stark gefährdeten Personen zu schützen, doch noch Maske tragen, Abstand halten, lüften und Kontakte reduzieren. Doch die Zeit arbeitet für uns. Durch die Impfungen.
Dr. med. Holger Löser ist Klinikhygieniker und Oberarzt an der Medizinischen Klinik am AGAPLESION BETHESDA KRANKENHAUS WUPPERTAL.
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