16. November 2021
Beim November- oder Winterblues oder seiner stärkeren Ausprägung, der Winterdepression bzw. saisonalen Depression, kommt es zu einer verstärkten, wahrscheinlich überschießenden Änderung der natürlichen zirkadianen Rhythmik. Diese überschießende Änderung der „inneren Uhr“ ist wahrscheinlich genetisch bedingt. Die Anpassung unseres Verhaltens (Niveau der täglichen Aktivität, Wachen, Schlafen, Nahrungsaufnahme) an die Jahresrhythmik ist ein bei den meisten Lebewesen beobachtbares Phänomen, das evolutionär bedingt ist unsere Lebens- und Überlebensbedingungen optimiert.
Ein wichtiger Taktgeber für diesen Rhythmus ist das Sonnenlicht. Wenn die Tage kürzer werden kommt es zu verminderter Lichteinstrahlung, wobei der blaue Lichtanteil besonders vermindert wird und der rote, langwellige Anteil sich erhöht. Hierdurch wird der Serotoninstoffwechsel im Gehirn heruntergeregelt und die Melantoninproduktion erhöht. Serotonin beeinflusst die Gemütsverfassung, trägt zu unserem Wohlbefinden bei. Melantonin führt zu Inaktivität, Erholung, Schlaf. Das Phänomen tritt Äquatorfern deutlich häufiger auf und Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Winterblues ist die leichte Form der Winterdepression bzw. saisonaler Depression. Die Beschwerden sind nicht so ausgeprägt, dass man von einer Depression sprechen könnte. Die Betroffenen zeigen sind reduzierte, depressive Stimmung, leichte Erschöpfbarkeit, reduzierte Motivation. Im Gegensatz zur klassischen Depression, die typischerweise mit Schlafstörung, Appetitverlust und Gewichtsabnahme einhergeht, zeigen die Betroffenen eher vermehrten Schlaf und Gewichtszunahme.
Das beste Gegenmittel sind aktive Aufenthalte im Freien bei Tageslicht (Wandern, Joggen). Auch im Winter ist das natürliche Tageslicht zur Mittagszeit deutlich heller und damit wirksamer als die Lichttherapie, die eine weitere Option zur Behandlung bzw. zum Gegensteuern darstellt. Hierbei sollte man sich 20-60 min/Tag vor einer Tageslichtlampe mit 10.000 Lux Leuchtstärke (das ist ca. 20x stärker als die normale Raumbeleuchtung) aufhalten.
Da viele der betroffen auch einen Vitamin-D-Mangel aufweisen, wäre auch eine ergänzende Einnahme von Vitamin D in Erwägung zu ziehen, was jedoch keine alleinige Behandlung darstellt. Der Zusammenhang von Vitamin-D-Stoffwechsel und saisonaler Depression ist nicht geklärt.
Bei starker Ausprägung ist eine fachärztliche Vorstellung zu raten. Auch antidepressive Medikamente können gegen sie saisonale Depression eingesetzt werden.
Prof. Dr. med. Andreas Fellgiebel ist seit November 2019 Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am AGAPLESION ELISABETHENSTIFT in Darmstadt. Neben seiner Tätigkeit am Elisabethenstift ist Prof. Fellgiebel Leiter des Zentrums für psychische Gesundheit im Alter in Mainz und Leiter der Forschungssektion Altern und Neurodegeneration, Demenz ebenfalls in Mainz.
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