21. April 2021
In Ermangelung einer einheitlichen Definition lässt sich dies aktuell nicht präzise beantworten. Allerdings zeigen Studien, dass doch bei 40 bis 80 Prozent (je nach Studie) der vormals hospitalisierten (und damit schwerer erkrankten) Patientinnen und Patienten Symptome bestehen bleiben oder neu auftreten.
Für die weitaus größere Gruppe der asymptomatisch oder nur geringgradig, akut erkrankten COVID-19 Patienten, deren Krankheitsdauer ja in der Regel bis zu drei Wochen beträgt, liegen weniger Daten vor. Post-COVID-Syndrom typische Symptome werden aber auch in dieser Gruppe berichtet.
Insgesamt scheint die Häufigkeit und die Schwere des Post-COVID-Syndroms an die Schwere der akuten COVID-19 Erkrankung gekoppelt zu sein: Je schwerer also der Verlauf der akuten Erkrankung, z.B. mit Hospitalisierungspflicht, desto größer das Risiko der Entwicklung eines Post-COVID-Syndroms.
Bei Patientinnen und Patienten mit schweren anderen Viruserkrankungen (z. B. Influenza) oder zum Beispiel mit einem schweren Lungenversagen sind teilweise ähnliche Langzeitfolgen beschrieben worden, so dass man davon ausgehen muss, dass nicht alle Symptome eines Post-COVID-Syndroms SARS-CoV-2-spezifisch sind.
In der Summe muss aber festgestellt werden, dass es COVID-19-Patientinnen und
-Patienten gibt, die sich auch Wochen oder Monate nach Beginn der Erkrankung nicht wieder restlos erholt haben.
In Studien wurden sehr unterschiedliche Long-COVID-Symptome beobachtet, die den ganzen Körper betreffen können. Die dabei involvierten Organsysteme sind vor allem Lunge, Herz/Kreislauf, zentrales und peripheres Nervensystem sowie die Haut. Die dazu gehörigen Symptome sind vor allem Luftnot und Husten, Brustschmerzen und Palpitationen (z. B. Herzrasen), Abgeschlagenheit, Schwindel, Antriebslosigkeit, Kopf-, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Schlafstörungen, Depressionen und Haarausfall. Besonders häufig klagen Patientinnen und Patienten über Fatigue (Erschöpfung) – auch bei milden asymptomatischen Krankheitsverläufen – und Dyspnoe (Kurzatmigkeit). Geruchs- und Geschmacksverlust, die ja bereits im Akutstadium auftreten, können über Monate anhalten.
Mechanistisch kann man die Symptome entweder spezifisch den Folgen der akuten COVID-19 Erkrankung auf Zell- oder Organebene zuordnen. Hier kann als Beispiel die Lunge aufgeführt werden, in der es aufgrund der Virusinfektion zu Vernarbungsprozessen und somit einem Ersatz des normalerweise zarten Lungengewebes kommt – mit den daraus resultierenden Symptomen Luftnot und trockener Husten.
Andererseits kann SARS-CoV-2 langanhaltende immunologisch und entzündliche Veränderungen auslösen, die für lange bestehende Symptome wie den Fatigue verantwortlich sein können. Schließlich wissen wir, dass längere intensivmedizinische Behandlungen bei schwerwiegenden Erkrankungen ganz grundsätzlich und unabhängig vom Auslöser zu länger bestehenden, generell aber wenigstens teilreversiblen, neurologischen und psychiatrischen Einschränkungen wie z.B. kognitiven Einschränkungen, Depressionen etc. führen können.
Wenn Sie von Spätfolgen einer COVID-19-Erkrankung betroffen sind, sprechen Sie zunächst mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. Die können Sie dabei unterstützen, einen Antrag für eine stationäre Rehabilitation zu stellen oder Ihnen ambulante Reha-Möglichkeiten aufzeigen. Bundesweit wurden außerdem Post-COVID-Ambulanzen eingerichtet, um Betroffenen eine erste Anlaufstelle zu bieten.
Bei respiratorischen Beschwerden ist eine Vorstellung beim Lungenfacharzt sinnvoll, um frühzeitig Vernarbungsprozesse in der Lunge erkennen zu können und ggf. auch zu behandeln.
Prof. Dr. Andreas Günther ist Chefarzt der pneumologischen Klinik am AGAPLESION EV. KRANKENHAUS MITTELHESSEN.
Er gehört zu den Hauptakteuren des Corona Medizinboards im Zentralen Krisenstab der AGAPLESION gAG. Das Expertengremium übersetzt aktuelle Überlegungen aus der Fachliteratur in den praktischen Alltag und legt Handlungsempfehlungen zur medizinischen Versorgung von COVID-19 Patientinnen und Patienten mit Virus-Pneumonie fest.
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